" Armenien muss kapitulieren
In der Konfliktregion Berg-Karabach kann Armenien dem Angriff von Aserbaidschan nichts entgegensetzen. Der armenische Premier Nikol Paschinjan gerät unter Druck. Eine Analyse.
Es dauerte kaum 24 Stunden, bis Berg-Karabach kapitulierte. Gestern stimmte die Führung der Karabach-Armenier:innen einem um 13 Uhr Ortszeit in Kraft tretenden Waffenstillstand zu. Laut dem Nachrichtenportal „news.am“ sieht er die völlige Entwaffnung ihrer Streitkräfte vor, außerdem den Abzug der regulären armenischen Truppen, die sich in der Gebirgsenklave aufhalten. Alle Fragen zur Zukunft der bis zu 120 000 Armenier:innen, die im Karabach leben, sollen am Donnerstag bei einem Treffen der Konfliktparteien in der Stadt Jewlach diskutiert werden.
Den Karabach-Armenier:innen blieb keine andere Wahl, als sich den Maximalforderungen zu fügen, die Aserbaidschans Staatschef Ilham Alijew zu Beginn seiner „Anti-Terror-Maßnahme“ verkündet hatte. Noch am Mittwochmorgen sprach das Verteidigungsministerium der Karabach-Armenier:innen von einem positionellen Vorrücken Aserbaidschans und von hartnäckigem Widerstand. Dass dieser zum Teil schon verzweifelt war, bestätigte der Tod des Bürgermeisters der Stadt Martuni. Er starb im Kampf gegen angreifende aserbaidschanische Kräfte. Bis Mittwochvormittag meldeten die Karabach-Armenier 32 Todesopfer, darunter sieben Zivilpersonen.
Für die Armenier:innen ist die Niederlage ein neuer Schock
Erfolgreiche militärische Gegenwehr war kaum möglich. Seit Ende vergangenen Jahres blockiert Aserbaidschan den sogenannten Latschin-Korridor, die letzte taugliche Lkw-Straße zwischen Karabach und dem armenischen Mutterland. Das bedeutet, dass die vermutlich 10 000 bis 20 000 Schutzkräfte der Enklave dem Feind nur schlecht bewaffnet und ohne große Munitionsvorräte gegenüberstanden. Ihre Lage war von Anfang an noch aussichtsloser als am 9. November 2020, als Armenien nach 44 Tagen Abwehrschlacht um Waffenstillstand bitten mussten.
https://www.fr.de/politik/berg-karabach-armenien-muss-kapitulieren-analyse-92531982.html
Videos und Fotos von Tausenden Flüchtlingen
Unter den Armenier:innen kursieren jetzt Ängste, dass Aserbaidschan sich für ihre Niederlage von 1994 revanchieren, als Armenien die aserbaidschanische 25-Prozent-Minderheit aus dem Karabach vertrieben. Die Angstvokabeln „ethnische Säuberungen“ und „Genozid“ prägen auch die Auftritte von Premierminister Nikol Paschinjans und anderer Politiker. Gestern tauchten auf Telegram Videos und Fotos von Tausenden Flüchtlingen auf, die sich vor dem Flughafen von Stepanakert versammelten, wo russische Friedenstruppen stehen.
Paschinjan wird heftig kritisiert, weil er der regulären Armee keinen Befehl gab, den Karabacher Landsleuten zur Hilfe zu kommen. Schon am Dienstag gab es bei Straßenprotesten in Jerewan über 30 Verletzte. Der Regierungschef hat allen Grund, einen neuen frontalen Krieg gegen die reiche Öl- und Gasmacht Aserbaidschan zu vermeiden. Laut dem Fachportal „Globalfirepower“ dienen in der armenischen Armee 45 000, in der aserbaidschanischen 65 000 Streitkräfte.
Das Verhältnis Armeniens zu Russland wirkt zusehends zerrüttet
Nach
Ansicht des armenischen Politologen Grant Mikaeljan steht hinter Alijew
Recep Tayyip Erdogan. Der Präsident der Türkei strebe für die Türkei
über Nachitschewan und den Sangesur-Korridor einen direkten Zugang zum
Kaspischen Meer an. "
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