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Während noch rund um den gewalttätigen Angriff auf das US-Kapitol ermittelt wird, droht Donald Trump mit Gewalt auf den Straßen, sollte es zu einer Anklage gegen ihn wegen mitgenommener Geheimdokumente kommen. Die Republikanische Partei ist ihm entweder treu ergeben oder schweigt. Warum Trump Ausdruck und nicht Ursache der Radikalisierung der US-amerikanischen Rechten ist, erklärt der Historiker Thomas Zimmer. Er unterrichtet Geschichte des 20. Jahrhunderts an der Georgetown University in Washington, D. C., und forscht unter anderem zur Polarisierung der US-amerikanischen Gesellschaft.ZEIT ONLINE: Demnächst beginnt die zweite Serie von Anhörungen des Untersuchungsausschusses zum Angriff auf das Kapitol. Was kann dieses Gremium überhaupt erreichen?
Thomas Zimmer: Der Ausschuss hat enorm dazu beigetragen, dass wir heute die Versuche von Trump und seinen Verbündeten, per Selbst-Putsch an der Macht zu bleiben, sehr viel besser verstehen. Aber die Republikaner zu spalten und signifikante Teile der Republikanischen Partei dazu zu bringen, sich vom Trumpismus zu lösen, das wird dem Ausschuss nicht gelingen.
ZEIT ONLINE: Warum nicht? Schaut man die Umfragen an, hat Trump schlechte Aussichten, es überhaupt durch die Vorwahl der Republikaner zu schaffen.
Zimmer: Das würde ich so nicht sagen. Es stimmt, dass sich vor allem Ron DeSantis, der Gouverneur von Florida, recht erfolgreich als potenzieller Kandidat in Stellung gebracht hat. Aber zum einen hat sich auch DeSantis voll dem Kampf gegen die pluralistische Demokratie verschrieben – er bietet harten Trumpismus, nur eben ohne Trump. Zum anderen liegt Trump in Umfragen weiter klar vor allen anderen Republikanern, die konservative Basis will ihn unbedingt, und auch unter republikanischen Eliten ist keine breite Absatzbewegung erkennbar. Hier zeigt sich weiter, dass die eigentliche Gefahr für die Demokratie nicht allein und nicht mal zuvorderst von Trump ausgeht.
ZEIT ONLINE: Wie meinen Sie das?
Zimmer: Die klare Mehrheit – rund drei Viertel – der republikanischen Wählerinnen und Wähler sagt, Joe Biden sei ein illegitimer Präsident. Das hat bei manchen, aber lange nicht bei allen, tatsächlich mit der verschwörungstheoretischen Idee zu tun, dass die Wahl "gestohlen" worden sei. Darunter liegt die viel weiter verbreitete Vorstellung, dass Biden der Anführer einer per se illegitimen, vermeintlich radikalen "linken" politischen Bewegung sei, die Amerika zerstören wolle. Solche Vorstellungen befeuert Trump mit seiner "Big Lie" von der vermeintlich gestohlenen Wahl. Aber ihr Ursprung reicht viel weiter zurück. ..
Thomas Zimmer: "Amerika muss sich von einigen tiefsitzenden Mythen verabschieden" (msn.com)